Was bedeutet zuckerfrei eigentlich?
Seitdem immer mehr Ratgeber zur zuckerfreien Ernährung veröffentlicht werden, hört man es aus allen Ecken: „Ich ernähre mich jetzt zuckerfrei und es geht mir besser denn je.“ Gefühlt wurde in Deutschland ein wahrer Hype ausgelöst – wobei das oftmals negativ besetzte Wort Hype in diesem Fall ganz und gar nicht negativ zu verstehen ist. Denn Zucker ist ungesund, das weiß doch eigentlich jedes Kind!
Doch Moment mal, ist Zucker wirklich immer ungesund? Bevor ich ins Detail gehe, hier schon mal die Antwort: Nein, Zucker ist nicht immer ungesund.
Zucker – ein paar Begriffe
Zucker lässt sich in drei Gruppen einteilen:
- Monosaccharide: Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt Einfachzucker. Zu den Monosacchariden zählen Glucose (Traubenzucker, auch Dextrose genannt), Fructose (Fruchtzucker) und Galactose (Schleimzucker in Muttermilch). Einfachzucker bestehen aus genau einem Zuckermolekül.
- Disaccharide: Aus dem Griechischen übersetzt bedeutet dieser Begriff Zweifachzucker. Demnach bestehen Disaccharide aus genau zwei Zuckermolekülen – so die Saccharose (unser Haushaltszucker bzw. Rübenzucker oder Rohrzucker), die aus einem Glucose- und einem Fructose-Molekül besteht, die Lactose (Milchzucker), die aus einem Glucose- und einem Galactose-Molekül besteht und die Maltose (Malzzucker im Getreide), die aus zwei Glucose-Molekülen besteht.
- Polysaccharide: ist das griechische Wort für Mehrfachzucker. Hierbei handelt es sich um eine Verknüpfung vieler Einfachzucker. Bei drei bis zehn verbundenen Zuckermolekülen spricht man eigentlich noch von Oligosacchariden (gr.: oligos = wenige), die streng genommen eine eigene Untergruppierung der Zuckerarten darstellen. Da der Übergang zu den Polysacchariden (ab zehn verbundenen Zuckermolekülen) aber in der biochemischen Literatur fließend ist, fasse ich die Oligosaccharide hier mit den Polysacchariden zusammen. Polysaccharide sind Stärke (pflanzlicher Zucker) und Glykogen (tierischer Zucker, unser Speicherzucker).
Der Mythos vom ungesunden Zucker
Wie bereits gesagt ist Zucker nicht immer ungesund. Glucose ist sogar lebensnotwendig, da wir aus ihr unsere Energie in Form von ATP (Adenosintriphosphat) gewinnen. Jede einzelne Zelle unseres Körpers kann Glucose verstoffwechseln – und das ist auch notwendig, damit wir gedeihen können. Nach dem Essen gelangt die Glucose vom Magen über den Darm ins Blut. Von dort aus nimmt sie mithilfe von Insulin ihren Weg in die Zellen, wo sie verbrannt wird und somit Energie entsteht. Diabetiker beispielsweise, die aufgrund eines Insulinmangels bzw. einer Insulinresistenz die Glucose aus dem Blut nicht in die Zellen hineinbekommen, haben mit zahlreichen Krankheitssymptomen zu kämpfen, wobei das Symptom „müde, schlapp, kaputt“ noch das harmloseste ist.
Was bedeutet es aber nun, wenn jemand zuckerfrei lebt, obwohl ein zuckerfreies Leben doch gar nicht möglich ist?
Ganz einfach: Eine zuckerfreie Ernährung bedeutet, auf sämtliche isolierten Zuckerarten zu verzichten. Häufig wird in unsere Gesellschaft das Disaccharid Saccharose konsumiert. Dabei handelt es sich um unseren raffinierten Haushaltszucker, der aus Zuckerrüben oder Zuckerrohr gewonnen wird. Isoliert bedeutet, dass unser Haushaltszucker ohne jegliche Ballaststoffe, Proteine, Vitamine und nur verschwindend gering mit Mineralien ausgestattet ist – er ist einfach purer, sehr kaloriendichter Zucker. Essen wir diesen steigt unser Blutzuckerspiegel rasend schnell an. Der Magen kann mit dem ballaststofflosen Zucker nämlich nur wenig anfangen und leitet diesen ganz schnell weiter in den Darm. Hier wird er in Monosaccharide gespalten und diese werden ins Blut weitertransportiert. Bei übermäßigem Verzehr haben die Zellen nicht die Möglichkeit, den überschüssigen Zucker schnell aus dem Blut aufzunehmen. Zirkulieren ständig hohe Mengen Zucker im Blut, können sich unter anderem ein Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Nervenschädigungen, Adipositas (krankhafte Fettleibigkeit) und eine Fettleber entwickeln. Natürlich passiert dies nicht, wenn wir mal ein Stück Kuchen oder Schokolade essen – trotzdem gibt es Menschen, die sogar auf kleinste Mengen isolierten Zucker verzichten.
Passiert das auch, wenn wir Früchte oder pflanzliche Stärke essen?
Nein. Jede ganze Frucht und jedes andere ganze pflanzliche Lebensmittel kommt mit einer großen Bandbreite an Ballast- und anderen Nährstoffen daher. Ganze Lebensmittel bezeichnen Lebensmittel, wie sie in der Natur vorkommen – unverarbeitet und vollwertig. Ein Apfel ist zum Beispiel ein ganzes Lebensmittel, genauso Kartoffeln, Brokkoli, Möhren, Vollkornreis, Bohnen, Walnüsse und Leinsamen. Im Magen quellen die Ballaststoffe auf, so dass der gelartige Nahrungsbrei mit dem enthaltenen Zucker nur langsam in den Darm weiterbefördert werden kann. Genauso langsam kann die Darmschleimhaut die Nährstoffe – also auch den Zucker – aus dem Nahrungsbrei resorbieren. Die Folge: Der Blutzuckerspiegel steigt zwar an, aber nicht übermäßig und nur langsam. Die Zellen haben so genug Kapazität und Zeit, den ankommenden Zucker so gut wie vollständig aufzunehmen und in Energie umzuwandeln. Selbst Frutarier – also Menschen, die sich ausschließlich von ganzen Früchten ernähren – haben in der Regel keinen krankhaft erhöhten Blutzucker. Die ballaststoffreichen Früchte garantieren einen langsamen Weg des Zuckers vom Magen in die Zellen. Problematisch wird es erst, wenn wir zwar viele ganze, vollwertige und unverarbeitete Lebensmittel essen, zusätzlich aber viel isolierten Zucker und tierische Lebensmittel konsumieren. Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier haben nämlich so gut wie keine Ballaststoffe.
Meine Empfehlung
Ich selbst halte es so, dass ich zu Hause komplett auf Haushaltszucker verzichte und meine Speisen zum Beispiel mit pürierten Datteln oder Bananen süße. Gehe ich auswärts essen oder bin eingeladen, sind mit Haushaltszucker gesüßte Speisen im geringen Maße in Ordnung. Außerdem ernähre ich mich rein pflanzlich, vollwertig, unverarbeitet und fettarm mit reichlich Gemüse, Obst, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten sowie einigen Nüssen und Samen. Ich empfehle Ihnen, es genauso zu handhaben und die Vorteile einer an isoliertem Zucker armen bzw. freien, pflanzlichen und vollwertigen Ernährung zu genießen.